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Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaft

Professur für Musikwissenschaft – Prof. Dr. Kordula Knaus

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"Oper bewegt": Gastvortrag von Dr. Annelies Andries (Universität Utrecht):​From stage to page c.1800 - Ein performativer Ansatz zur historischen Opernübersetzung

20. Juni 2024 | 18 Uhr (c.t.)
S.122, GW I, Universität Bayreuth

Am Anfang des 19. Jahrhunderts war die ins Deutsche übersetzte französische Oper in München in der Mode. Unter der Herrschaft des Maximilian IV. / Joseph I. war die Opernkultur in der Hauptstadt oft von Frankreich inspiriert. Der König ließ ein neues Opernhaus nach dem Vorbild des Pariser Théâtre de l'Odéon errichten. In den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts generierten sich fast vierzig Prozent der Aufführungen aus übersetzten französischen Werken. Einige davon wurden zu festen Bestandteilen des Repertoires, darunter Cherubinis Les Deux journées (als Graf Armand), Méhuls Joseph (als Jakob und seine Söhne in Ägypten) und schließlich Spontinis La Vestale (als Die Vestalin). Trotz dieser Fülle französischer Werke unterschieden sich die Bedingungen der Opernproduktion erheblich von denen in Paris: Tragische und komische Werke wurden von derselben Truppe aufgeführt, und die Darsteller waren größtenteils deutsch ausgebildet.

In diesem Vortrag wird untersucht, wie die Münchner Übersetzungen dieser französischen Opern mit den lokalen Aufführungspraktiken und -kontexten interagierten. Dabei stützt er sich auf historische Quellen (z.B. Schauspiel- und Gesangstraktate, Aufführungs- und Rezeptionsmaterialien) sowie auf Erkenntnisse aus Workshopexperimenten mit dem "Learning to perform" (Baily 2001) dieser Übersetzungen als historische Forschungstechnik. Dieser Ansatz unterstreicht, wie das verkörperte Wissen über Affekte, Emotionen und Gesten einer der Schlüssel zum Verständnis der kontinuierlichen Rückkopplungsschleife zwischen Übersetzung, Aufführung und Rezeption sein kann.

Es werden drei Schlussfolgerungen aus diesen Forschungsansätzen gezogen. Erstens wird, basierend auf historischen Schauspiel- und Gesangstraktaten, eine alternative Methode zur Analyse von Opernlibretti, ihren Vertonungen und Übersetzungen vorgeschlagen, die sich auf eingebettete affektive Gesten konzentriert. Zweitens unterstreicht ein Ergebnis einer solchen Analyse, dass Opernübersetzung ein Mittel war, um emotionale Praktiken und Normen zwischen den Kulturen auszuhandeln. Drittens erforschte das Projekt anhand von Workshopformaten eine verkörperte, performative Auseinandersetzung mit historischem Material und untersuchte dabei auch die Möglichkeiten und Grenzen solcher Experimente im Hinblick auf Wissensbildung und wissenschaftliche Ergebnisse. Durch die Kombination dieser drei Stränge möchte dieser Vortrag einen Beitrag zur jüngsten Neubewertung der Opernübersetzung leisten (z.B. Serban und Yue Chan, 2020) und das Potenzial des "Learning to perform"-Ansatzes als Forschungstechnik über die traditionelleren Ziele der historisch informierten Aufführungspraxis hinaus unterstreichen.

Verantwortlich für die Redaktion: Charlotte Marie Seegers

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